martedì 26 marzo 2024

Uh signur!

Im Buch über Häuser des Herrn Bianconi gibt es tatsächlich einen Fehler. Er erzählt da, wie er in einer casa di ringhiera gewohnt habe, einem typischen Mailänder Haus, in dem man über einen offenen Gang wie einen langen Balkon in die eigene Wohnung kommt, naturgemäß nicht, ohne von einer aufmerksamen Nachbarin gesehen worden zu sein. 

Diese, erzählt er, habe angesichts seiner Gothic, also schwarz und leichenhaft hergeputzten Begleiterin, die zu betrachten die Nachbarin eigens Blumen gießen auf den geteilten Balkon gegangen war, ausgerufen: "Oh Signore!", also etwas wie "Oh Gott!" Das kann nun nicht sein, da Damen dieser Art nicht Italienisch zu sprechen pflegen wie der Herr Bianconi aus der Toskana, sondern Milanese. "Uh signur!", müsste sie daher gerufen haben, etwa so, wie ich es in Mailand die alte Dame im Bus habe ausrufen hören, nachdem sich das schwarze Mädchen vor ihr umgedreht hatte und in seiner fremden Schönheit ihr erschienen war. Danach hatte sie, weil das Mädchen erschrocken schien, ihr die Hand auf die Schulter gelegt und ihr beruhigend zugebrüllt: "Besser eine aus Afrika als eine aus dem Süden!" Wie man all diese Ausländer  eben so sieht als Mailänderin.

venerdì 26 gennaio 2024

Lieber Esel,

als die Siftsgründerin Marswidis um das Jahre 940 herum  mit ihrer ihr vom Papst überreichten Reliquie Johannes des Täufers, die sie am Hals in einem Kästchen getragen haben soll, von Rom nach Schildesche, ins Westfalenland zurückreiste, seist, so die Überlieferung, du in den Alpen in einen tiefen Abgrund gestürzt. Wenige Tage später sollst du, als von den Toten auferstandener Esel, wieder vor der Reisenden gestanden haben. Was aus dir, doch wohl: heiligem Esel! im weiteren Leben geworden sei, wird nicht überliefert. Die Einrichtung eines Wallfahrts- oder Hoffnungsorts böte sich ja an.


venerdì 15 settembre 2023

Liebes Badezimmer in der Bozener Jugendherberge!

Die Jugendherberge in Bozen ist an sich eher spartanisch eingerichtet, wie wir das ja auch erwarten. Deine Badezimmer aber verbergen etwas, was in deutschen Landen an Luxus und Sünde erinnert, nämlich Bidets. Schwer, sich deutsche Wandervögel vorzustellen, welche dort nach einem langen Tag und verrichteter Notdurft oder womöglich vor einem so oder anders zu treibendem Verkehr die Klampfe beiseite legten und auf diesem Porzellangefäß Platz nähmen, um sich da unten herum zu säubern. 

Nun ist die Jugendherberge eine deutsche Erfindung und Bozen war ja wohl mal nicht ausschließlich, aber mehrheitlich deutschsprachig. Dann ist es, wie ganz Südtirol, zwei Jahrzehnte oder eher vier oder fünf lang, recht rabiat italianisiert worden, weshalb da in der Gegend zum Beispiel das liebliche Dörfchen Moos auf einmal Moso hieß und seitdem etwas ratlos in die Berge schaut. 

Angesichts des Bidets in der Jugendherberge kommen wir entsprechend ins Träumen. Wie ein Parteifunktionär in schwarzer Uniform aus Rom rotköpfig sich die deutschen Bäder ohne Bidet der Jugendherberge anschaut und losbrüllt: "Cul-t-t-tu-ra it-t-t-t-aliana! Esiguo! Immediatamente! Bidet qui dentro!" Wie dann ein singender Arbeitsdienst anrückt und schunkelnd in jedem Bad ein solches Ding montiert.  

Vielleicht ist die Verwandlung auch erst später eingetreten. Eine Absolventin des Studiengangs Kulturvermittlung hat, als unbezahlte Praktikantin irgendwo, darauf hingewiesen, dass die Jugendherberge in Bolzano ein Ort des Kulturkontakts sei, dass in Dir, liebes Badezimmer, also Unterleiber mit verschiedenen Wahrnehmungsfeldern sich einfinden würden, worauf auch badezimmertechnisch Rücksicht zu nehmen sei. Woraufhin der Leiter der Herbergsstätte stöhnend das Geld auf den Tisch gelegt hätte. Nein, der wusste natürlich, dass italienische Gäste ihm jeden Review versauen würden, wenn sie da in Bolzano nicht ihr Bidet vorfänden. Alle würden mit den Worten beginnen: "Wir sind in Italien!" 




 

giovedì 17 agosto 2023

Liebes Bidet,

die in Italien kehren immer gern aus Frankreich oder Deutschland zurück und krähen zu Hause heraus, die hätten keine Kultur da, hätten nämlich nicht einmal Dich im Badezimmer stehen, weshalb ein kultivierter Mensch sich, in solchen Ländern unterwegs, unten rum immer sehr sehr, ehm, mit gesenkter Stimme oder auch ganz laut: schmutzig fühle. 

Auch ein inzwischen verstorbener ehemaliger Ministerpräsident und Vorsänger der Canzone napoletana hat ja dazu seinem Volke erklärt, die im Norden seien sexuell ein wenig grobschlächtig und kännten das Vorspiel nicht, weshalb sie eben Dich nicht hätten, meist weiß glänzendes Bidet!

Das ist nun, wie ich aus berufener Quelle erfahren habe, nicht ganz richtig. Ein Herr, welcher mir in den achtziger Jahren seine Wohnung in der Sonnenallee vermieten wollte, hatte Dich, liebes Bidet, nämlich im Badezimmer montieren lassen, wozu er mir strahlend erzählte, er habe seinerzeit, wie man ja sagt, die Adolf-Hitler-Schule besucht, ein Internat für vielversprechende kleine Nazis, wo Du schon gestanden habest, mitten im goldenen Raum seiner Kindheitserinnerungen.

Die Schüler hätten abends vor dem Schlafengehen auf einen Ruf wie "Arschkontrolle!" oder "Deutsche Ärsche!" sich in einer Reihe aufgestellt, die Schlafanzughosen heruntergezogen und sich gebückt, woraufhin ein Ober- oder Unterscharführer oder etwas hinter ihnen vorbei gegangen sei und die Popos beäugt habe, wie mir der Vermieter berichtete, worauf er seinen Po rausstreckte und kräftig draufschlug. 

Kultur taucht eben mal hier auf, dann wieder da, und so ist alles ein stetes Herumgucken.


martedì 8 agosto 2023

Liebes Tamagotchi,

als Du in die Welt tratest, liebes Taschenhaustier, habe ich Dich nicht recht beachten wollen, ich in Büchern versteckt, also nur hier und dann gelesen oder gehört von Dir, Du Kleines, von Deinen Nöten, Deinem Hunger, Deinen Defäkationen und Traurigkeiten. 

Bei allem piepstest Du leise und Dein Herrchen oder Frauchen oder was beeilte sich dann, sah Dich an und stand Dir bei. Denn sonst littest Du, rächtest Dich wohl auch später als schlecht erzogenes Dings und: sterben und ein Engelchen werden, das konntest Du auch. 

Ich habe Dich ignoriert, Tamagotchi. So habe ich ein Stück Weltgeschichte versäumt und das rächt sich nun, wenn ich den täglichen Intelligenztest nicht bestehe und nicht rechtzeitig das passende weiße Kabel mit dem richtigen kleinen oder ganz kleinen weißen Anschluss aus dem richtigen Knäuel herauswickle und irgendetwas, oder besser jemand? sich vernachlässigt fühlt und, womöglich mit einem leisen Piep wie einem leisen Weinen von etwas Kleinem, sich verabschiedet. 

Du hättest mich beizeiten auf diese Welt von Dingern, die mich ansehen und etwas wollen von mir, von Prüfungen nach täglichem Stundenplan vorbereitet, liebes Dings.  

venerdì 14 luglio 2023

Liebe Reference Letters,

es ist ja nun so, dass einer vielleicht irgendwo Lehrer werden will und das auch kann, was wir aus Zeugnissen und aus Tatsachen wie der, wie man ja sagt, inferieren könnten, dass der- oder dieselbe fünfzig Jahre hier und morgen dort ohne größeres Aufsehen bereits unterrichtet oder gelehrt hat, dass aber gleichwohl gewisse Kleinigkeiten bei einer neuen Kollegin sich als störend erweisen könnten. 

Ein starker Speichelfluss aus dem einen oder dem anderen Mundwinkel, eine Schnapsfahne am frühen Morgen, hängende Nasenpopel oder eine offene Hose tragen zu momentaner Belustigung wohl, aber vermutlich nicht zu dauerhafter Freude des Kollegiums und der Zuhörerinnenschaft bei. Um dergleichen bei einer Neueinstellung auszuschließen, gibt es Euch, liebe Reference Letters. In Euch schreibt die ehemalige Chefin, der ehemalige Kollegin frei von der Leber hinweg, so die Idee, was er oder sie an dem oder der gefunden habe. 

Da schreiben nun viele, ob der oder die genial oder vielversprechend sei, was ja auch aus Schriften zu ersehen wäre, statt die Aufmerksamkeit auf das zu richten, was verborgen bliebe, wofür Ihr nämlich da seid, liebe Reference Letters. So ein Leben im Missverständnis finde ich recht sehr bedauerlich. Viele Grüße.

Ein netter richtiger Brief könnte etwa lauten:

"Den und die kenne ich aus unserer Zeit ...

Er oder sie kommt pünktlich, frisch gewaschen und vollständig bekleidet zur Arbeit, benutzt keine Supermarkt-Deos, sagt nicht "Guten!" zur Mittagspause,schließt sich weder allen noch mit anderen längere Zeit auf dem Klo ein und benimmt sich immer/ meistens/ in der Regel recht manierlich, ist kein Streithahn/huhn und die gemeinsame Arbeit ist, soweit das unter Menschen denkbar, auch recht/ recht eigentlich sehr/ durchaus angenehm.

Lieber Professor Höllerer,

das war ja Zufall, dass ich da bei Ihnen an der TU auftauchte. Damals konnte man sich dort ohne Abitur einschreiben, was später naturgemäß bald einer Ihrer Kollegen abgeschafft hat, unbedingt hat abschaffen müssen,  und ich meins, also die, ja: Nichtschülerreifeprüfung erst drei Monate später machen sollte. 

Bei Ihnen lernten wir Textinterpretation und bekamen dazu ein Blöckchen von fünfzehn kurzen Texten und sonst nix. Meiner war, das suchten wir uns aus, das "Es war einmal ein klei Kind" aus dem Woyzeck, dazu gabs Günter Eich (Noch läuft er) und Heißenbüttel (Er war gewesen ihr). 

Das sollten wir also lesen. Die meisten im Raum waren deutsche Lehramtsanwärterinnen oder sogenannte Medienwissenschaftler/innen, die schon aus Prinzip nichts gelesen haben und wenn sie es getan hätten, hätten sie es nicht bemerkt. Wir andern drei oder vier versuchten es ein wenig, dann sprachen Sie. Sätze wie: "Der Helmut hat zu viel Theorie im Kopf und zu wenig Talent", was mich erschreckte. Uns forderten sie zum Reden auf: "Seien sie nicht schüchtern und, was vielleicht dasselbe ist, seien Sie nicht arrogant!" Ich höre diese Sätze noch. Ihren Ton. 

Was wir lernten, war, in Learning Outcomes: Es gibt also diese Dichter. Man kann lesen, was sie geschrieben haben, und man kann darüber sprechen. Sonst nichts. Doch: Man kann sie auch kennenlernen, lernten wir. Sie kannten sie ja alle. Sie luden Dichter wie Luigi Malerba und Edoardo Sanguineti zu uns ein, holten sie ins Haus, sagten: "Guckt! Hört!" 

Sie hielten auch eine Vorlesung "Vom Kahlschlag zum Movens". Zu so etwas ging ich nicht. Eine Kollegin erzählte, Sie hätten da in drei Wochen hintereinander dreimal dasselbe vorgetragen. Darauf angesprochen, hätten Sie geantwortet: "Hier versteht sowieso keiner was!" Grimmig konnten Sie auch sein. Das half vermutlich, wenn Ihr Kollege, der Großprofessor auf Ihren Assistenten niedergrollen wollte.  

Der Assistent hieß Wolfgang Max Faust und warf, wenn er durchs Institut tänzelte, was er tatsächlich tat, ganze Familien von Ideen rechts und links hinaus. Auch bei dem wollte ich Textinterpretation lernen. Der legte uns ein weißes Blatt vor, auf dessen Mitte das Gedicht "Schläft ein Lied in allen Dingen" stand. "Nun sagt mal!" Ich brummelte etwas von Utopie, wie ich das damals so tat, und wurde gleich zurechtgewiesen: "Davon steht aber nichts da!" Das saß. 

Wolfgang Max wars, der mich zu meinem Woyzeck-Märchen Jean Pauls "Rede des toten Christus" lesen ließ. Die Note für meine Hausarbeit war deshalb, lieber Herr Professor, etwas unverdient. 



Uh signur!

Im Buch über Häuser des Herrn Bianconi gibt es tatsächlich einen Fehler. Er erzählt da, wie er in einer casa di ringhiera gewohnt habe, ein...